Erstversion 25.07.2021
Alle Informationen zur grünen Politik beziehen sich auf Quellen von Gruene.de. Meinungen hierüber sind die des Autors und decken sich nicht zwingend mit denen der Grünen/Bündnis 90. Auszüge aus dem Grünen Grundsatzprogramm oder von Gruene.de haben eine grüne Hintergrundfarbe.
“Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.“
Arthur Schopenhauer
Am 26ten September 2021 wird in Deutschland die Bundestagswahl stattfinden. Die Weichen werden hiermit für die Politik der nächsten fünf Jahre gesetzt. Einer der wichtigsten Bereiche für die Sicherung der Zukunft ist unser Gesundheitswesen. Im Gesundheitswesen arbeiteten 5,7 Millionen Menschen im Jahre 2018 in Deutschland. Damit ist etwa jeder achte Erwerbstätige in dieser Branche tätig.
Hier eine Übersicht der Verteilung der Mitarbeitenden in den verschiedenen Unterbereichen des Gesundheitswesens:
(Quelle: Bundesgesundheitsministerium von der Themenseite Gesundheitswirtschaft als Jobmotor)
Wie oben zu entnehmen ist, sind von 100 Erwerbstätigen etwa 12 in der Gesundheitswirtschaft tätig. Diese Mitarbeitenden in der Gesundheitswirtschaft können natürlich auch von ihrem Stimmrecht bei der Bundestagswahl Gebrauch machen und bilden damit eine beachtliche Zahl von Stimmen.
Wie wir alle seit Ende 2019 gesehen haben, ist das Gesundheitswesen eine Grundsäule der Zukunft unserer Gesellschaft. Die Coronavirus-Pandemie hat uns allen die Wichtigkeit eines gut-funktionierenden Gesundheitswesens gezeigt und gleichzeitig die Verletzbarkeit unserer Gesundheitsstrukturen gezeigt. Ein Krankenhausbett ohne gut-ausgebildetes Personal bringt uns nichts. Ein Krankenhaus das aufgrund der Vergütungsstrukturen strauchelt aber trotzdem eine wichtige Rolle in der allgemeinen Gesundheitsversorgung spielt darf uns nicht verloren gehen. Das Gesundheitssystem selber hätte mehr Reserven und Flexibilität in seinen Strukturen gebraucht als es tatsächlich gab. Es gibt gute Gründe das Gesundheitssystem unserer Zukunft anders und besser aufzustellen.
Zudem leuchtet es immer mehr Menschen ein, dass ein “weiter wie gehabt” in vielen Bereichen insbesondere im Bereich Klimaschutz nicht mehr vernünftig erscheint. Unser Alltag muss sich auf vielen Ebenen ändern. Dies ist, meines Erachtens, die größte Herausforderung unserer Zeit und eine die mir sowohl sehr viel Unbehagen aber auch Hoffnung gibt.
Somit habe ich mir folgende drei Fragen für diesen Artikel vorgenommen:
- Welche Besserungen können Mitarbeitenden im Gesundheitssystem bei grünem Erfolg an ihrer Situation erwarten?
- Welche Änderungen möchten die Grünen nach der Wahl vornehmen um das Gesundheitssystem besser und anders aufzustellen?
- Welche Änderungen oder Besserungen können Patienten im zukunftigen Gesundheitssystem erhoffen?
Nur ein gut finanziertes Gesundheitssystem kann die Würde der Patient*innen und die Rechte der Beschäftigten gleichermaßen schützen. Falsche politische Weichenstellungen und der daraus folgende ökonomische Druck haben zu Fehlanreizen zulasten des Patient*innenWohls, Kosteneinsparungen zulasten des Personals und einer falschen Verteilung von Geldern geführt. Die Krankenhausfinanzierung muss neu gedacht und auf wohnortunabhängige Versorgungssicherheit und qualität, auf eine gute Bezahlung für Beschäftigte, auf Vorsorge und auf Krisenfestigkeit ausgerichtet werden.
für die Mitarbeitenden:
https://www.gruene.de/themen/gesund Wie wollen wir die Arbeitsbedingungen für Gesundheitsberufe verbessern? Unser Ziel sind attraktive Arbeitsbedingungen für die im Gesundheitswesen tätigen Beschäftigten. Dafür ist aus unserer Sicht ein ganzes Bündel an Maßnahmen sinnvoll: Wir setzen uns ein für eine faire, möglichst tarifvertraglich geregelte, Bezahlung, eine kostenfreie Ausbildung, Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten, die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, eigenverantwortliche Tätigkeit und eine Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe auf Augenhöhe durch ein modernes Gesundheitsberuferecht sowie eine bedarfsgerechte und verbindliche Personalbemessung.
Soweit so gut, es lohnt sich aber einen Blick in das Grüne Grundsatzprogramm zu werfen um weitere Details zu erfahren.
Erstmal wird die Wichtigkeit der Gesundheitsberufe erkannt und die Notwendigkeit, dass diese Berufe mehr Personal, mehr Lohn und mehr Zeit brauchen:
Gute Gesundheit und Pflege gibt es nur unter guten Arbeitsbedingungen in allen Pflege- und Gesundheitsberufen und mit einer an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichteten Pflege- und Gesundheitsinfrastruktur. Ob Pfleger*innen in der Altenpflege oder anderswo, Hebammen oder Physiotherapeut*innen, sie sind das Rückgrat unserer Gesellschaft. In diesem Arbeitsbereich droht permanent die Gefahr von Überlastung und Überarbeitung. Sich um andere zu kümmern darf nicht krank machen. Es braucht mehr Personal, mehr Lohn und mehr Zeit...
Zusätzlich wird sowohl die Fachpflege wie auch die Hausärzte in den Fokus genommen:
Die Stärkung der professionellen Pflege und der hausärztlichen Versorgung ist Voraussetzung für ein gutes Versorgungsnetz in der Fläche.
Ebenso wird die Geburtshilfe gesehen und die Notwendigkeit hier einen kompletten Kurswechsel zu machen erkannt:
Gute Versorgung durch Hebammen – ob ambulant oder in Geburtshäusern und Kreißsälen – muss sowohl in ländlichen Regionen als auch in Städten gesichert sein. Wir brauchen einen Kulturwandel in der Geburtshilfe, weg von Personalmangel und Kostendruck, um die Bedürfnisse von Mutter und Kind in den Mittelpunkt zu stellen. ...
Alle Gesundheitsberufe wurden oben mit dem Ziel einer ” fairen, möglichst tarifvertraglich geregelten Bezahlung, einer kostenfreien Ausbildung, Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten, der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie” bedacht also Ärzte, Pflegeberufe, therapeutische Berufe und alle anderen Tätigen die im Gesundheitswesen beteiligt sind.
für das Gesundheitssystem:
Das Gesundheitssystem ist für Aussenstehende oft endlos komplex und undurchsichtig und Mitarbeitenden geht es oft ähnlich. Die Punkte die ich hier aufgelistet habe haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es sind Auszüge aus dem Grundsatzprogramm das wiederum Grundsätze und Verhandlungsgrundlage zu sein versucht. Einen Bauplan für das zukünftige Gesundheitssystem gibt es, meines Wissens, nirgendwo. Es sind lediglich einige Rahmenbedingungen für ein anderes und besseres Gesundheitssystem für unsere Zukunft. Auf der anderen Seite meine ich keinen “weiter wie gehabt” zu sehen, es sind grundlegende Änderungen vorgesehen:
Gleichwertige Lebensverhältnisse bedeuten eine gute Gesundheitsversorgung in der Stadt und auf dem Land. Jeder Mensch muss Zugang zu medizinischer und psychotherapeutischer Hilfe haben, ohne lange Wartezeiten, egal wo er oder sie lebt. Dafür müssen die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung überwunden werden...
In dem nächsten Auszug sehe ich einen richtungsweisenden Abkehr von der aktuellen Finanzierung der Krankenhäuser, hin zu einem System, dass den Bedarf bei der Bevölkerung mehr in den Fokus nimmt. Auch ist eine stärkere Beteiligung des Bundes an Investitionen vorgesehen:
von: https://www.gruene.de/themen/gesund Kliniken sollen in Zukunft nicht mehr nur nach Fallzahl, sondern auch nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Dafür braucht es ein neues Finanzierungssystem, das eine starke Säule der Strukturfinanzierung beinhaltet. So wollen wir insbesondere notwendige ländliche Krankenhäuser und stationäre Abteilungen wie etwa Kindermedizin oder Notfallversorgung sichern. Zudem wollen wir, dass der Bund Vorgaben für eine einheitliche Krankenhausplanung machen kann und sich stärker an Investitionen beteiligt. Krankenhäuser, die etwa durch mangelnde Auslastung die erforderliche Qualität nicht sicherstellen können, werden wir nicht einfach aufgeben, sondern zu leistungsfähigen Gesundheitszentren umbauen. Die Notfallversorgung in Deutschland werden wir reformieren, damit jeder Mensch im Ernstfall schnell und verlässlich die nötige Hilfe bekommt. Wir wollen mehr Psychotherapieplätze und eine Einbindung von Hilfen bei Krisen in die Notfallversorgung.
Im diesem Auszug aus dem Grundsatzprogramm sehe ich einen durchaus begrüssenswerten Paradigmenwechsel zurück zum Mensch im Mittelpunkt. Interessant ist auch eine Umfokussierung weg von rein Kosten- oder Profitbetrachtungen und hin zu dem welches für den Menschen hilfreich sein kann:
Gesundheitsversorgung ist öffentliche Aufgabe. Egal ob bei der freiberuflichen Landärztin, dem Medizintechnikunternehmen oder in der staatlichen Uniklinik – sie muss dem Menschen und seiner Gesundheit zugutekommen. Die Planung und Finanzierung des Gesundheitswesens muss am Bedarf der Patient*innen ausgerichtet werden. Entscheidend ist, was medizinisch und menschlich geboten ist – und nicht die möglichst billige, schnelle oder profitable Behandlung. Insbesondere im Krankenhausbereich soll die Gemeinwohlorientierung gestärkt, die Benachteiligung öffentlicher Träger gegenüber privaten beendet und der Trend hin zur Privatisierung umgekehrt werden. Klare politische Vorgaben zur Personalbemessung, Behandlungs und Versorgungsqualität sollen sicherstellen, dass alle Träger gleichermaßen zum Nutzen der Patient*innen handeln. Dadurch werden Gewinnausschüttungen von Kliniken beschränkt, damit öffentliches und beitragsfinanziertes Geld im System bleibt.
Im letzten Auszug hier wird ein Vorhaben zur besseren Zusammenarbeit beschrieben und das Ziel die Gesundheitsberufe mehr in Zusammenarbeit und Kooperation zu bringen und gegenfalls einiges an altem Gemäuer einzureissen. Lobenswert aber nicht einfach.
Eine bessere Vernetzung, Koordination und Zusammenarbeit über alle Berufsgruppen hinweg ist notwendig, um den Bedarfen der Patient*innen in einer älter werdenden Gesellschaft besser gerecht zu werden. Eine gut abgestimmte Versorgung muss zur Regel werden. Das bedeutet, dass Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen, Pflegekräfte und andere gesundheitsnahe Berufe sowie ein ausgebauter und gut ausgestatteter öffentlicher Gesundheitsdienst Hand in Hand und auf Augenhöhe zusammenarbeiten...
für die Patienten:
Zuerst eine recht breite und fortschrittliche Auffassung des Begriffes “Gesundheit”, für alle, egal wo, und warum:
... Dabei ist Gesundheit nicht nur die Abwesenheit von Krankheit, sondern umfasst das psychische, soziale und körperliche Wohlbefinden. Gesundheitsversorgung und Pflege sind zentrale Pfeiler der Daseinsvorsorge. Es ist öffentliche Aufgabe, jedem Menschen unabhängig von Alter, Einkommen, Geschlecht, sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität, Herkunft, sozialer Lage oder Behinderung sowie vom Wohnort und Aufenthaltsstatus Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Versorgung, die sich an seinen Bedürfnissen orientiert, zu garantieren...
Ich habe das Thema Bürgerversicherung hier bei “für den Patienten” einsortiert obwohl man das Thema genauso auch oben unter “für das Gesundheitssystem” hätte setzen können. Ein grosses und solidarischeres und vermutlich legislaturperiodenfüllendes Vorhaben zur Verbesserung der Krankenversicherung sowohl gesetzlich wie auch privat:
https://www.gruene.de/themen/gesund Mit der Bürgerversicherung erreichen wir ein stabiles und gerecht finanziertes Gesundheitswesen. Erste Schritte sind zum Beispiel die Verbesserung der Versorgung etwa mit Sehhilfen in der GKV, die Beseitigung der Benachteiligung von gesetzlich versicherten Beamt* innen sowie die bessere Absicherung und mehr Wahlrechte auch für PKV-Versicherte.
und:
https://www.gruene.de/themen/gesund Was bringt die Bürgerversicherung? Die Bürgerversicherung ist ein gemeinsames Versicherungssystem von privaten und gesetzlichen Krankenkassen. Im Gegensatz zu heute sind alle Versicherten solidarisch an der Finanzierung beteiligt. Dafür können sich alle Versicherten unabhängig vom Einkommen die Absicherung leisten, die sie benötigen. Die Einbeziehung von privat Versicherten in den Solidarausgleich sowie die Einbeziehung anderer Einkunftsarten führt zu einer längerfristigen finanziellen Stabilisierung des Systems. Dies nützt vor dem Hintergrund der Kostensteigerungen allen gesetzlich und privat Versicherten, vor allem aber jenen mit geringeren Einkommen. Die private Krankenversicherung kann auch in der Bürgerversicherung fortbestehen, alle ihrer Versicherten beteiligen sich am Solidarausgleich. Mit der Bürgerversicherung werden die Nachteile für gesetzlich Versicherte aufgehoben und alle gut versorgt, auch Privatversicherte mit geringen Einkünften.
Für die Pflege wird das Ziel gesetzt diese verstärkt wohnortsnah und weniger in grossen Einrichtungen wohnortsfern durchzuführen:
Menschen, die pflegebedürftig werden, wollen zumeist in ihrem gewohnten Umfeld bleiben. Eine dezentrale Pflegestruktur, bei der die Wünsche, die Selbstbestimmung und Selbstständigkeit der Betroffenen im Mittelpunkt stehen, ist dafür der beste Weg. Deshalb sollen Kommunen mehr Möglichkeiten bekommen, das Angebot an Pflege und Betreuung vor Ort zu gestalten, eine bedarfsgerechte Pflegeinfrastruktur zu schaffen und dabei insbesondere auf einen umfassenden Ausbau von ambulanten Wohn und Pflegeformen statt weiteren Großeinrichtungen zu achten. Gute stationäre Pflege gibt es nur, wenn in Pflegeheimen die Bedürfnisse und das Wohl der Bewohner*innen im Mittelpunkt stehen. Dass zu Gunsten von hohen Renditen an der Qualität oder an den Beschäftigten gespart wird, muss unterbunden werden. ...
Bezüglich Gesundheitsversorgung und der Selbstbestimmung von Frauen ist auch Grosses im Kleinen zu finden:
... Die reproduktive Selbstbestimmung muss gewährleistet sein. Das umfasst neben dem kostenfreien Zugang zu Verhütungsmitteln und der Verhinderung von Gewalt unter der Geburt auch die Sicherstellung von ärztlich vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüchen und professionelle Beratungen dazu, die sich an den Bedürfnissen der Frauen orientieren. Das sind wichtige Teile der Gesundheitsversorgung und der Selbstbestimmung von Frauen.
Also habe ich somit hoffentlich einen Einblick in Themen wiedergegeben die für Mitarbeitenden und für Patienten wichtig sind sowie einige Änderungen die das gesamte Gesundheitssystem betreffen.
Wenn Sie mehr zu diesen Themen erfahren möchten habe ich unten einige weiterführende Links eingefügt.
Weiterführende Links:
Grundsatzprogramm und Bundestagswahlprogramm der Grünen/Bündnis 90:
Wer mehr lesen möchte kann hier in allen Bereichen im Grundsatzprogramm der Grünen/Bündnis 90 nachschauen:
(Quelle: https://cms.gruene.de/uploads/documents/20200125_Grundsatzprogramm.pdf von https://www.gruene.de/grundsatzprogrammprozess und https://cms.gruene.de/uploads/documents/Wahlprogramm-DIE-GRUENEN-Bundestagswahl-2021_barrierefrei.pdf)
20200125_Grundsatzprogramm Wahlprogramm-DIE-GRUENEN-Bundestagswahl-2021_barrierefrei
One thought on “Was haben die Grünen/Bündnis 90 für Mitarbeiter im Gesundheitswesen und Patienten im Wahlprogramm?”